Bewertung

Bewertung

Um den Zustand eines Instrumentes beurteilen zu können, gilt es, einige Punkte abzuarbeiten:

  • Äußerer Zustand
  • Balg
  • Mechanik
  • Stimmstöcke mit Stimmplatten und Stimmzungen

Äußerer Zustand

Als Erstes wird der allgemeine äußere Zustand betrachtet. Ist das Instrument vollständig oder fehlen Teile?

Fehlende Leiste und Riss durch die Lyra-Ecke

Das Fehlen einer Zierleiste (wie z.B. auf dem Foto gut zu erkennen) hat erst mal keinen Einfluss auf den Klang des Instrumentes sondern nur auf die optische Erscheinung. Gleiches gilt für Einlagen und Verzierungen aus Perlmutt oder Neusilber.

Viel schwerwiegender ist, wenn das Gehäuse nicht intakt ist. Auf dem Bild ist ein Riss zu erkennen. Dieser kann z.B. auf einen Sturz des Instrumentes hindeuten. Wie sich bei der weiteren Prüfung dieses Bandoneons herausstellt, geht dort auch viel Luft verloren.

Als nächstes werden die Knöpfe angeschaut. Fehlen Knöpfe oder sind diese repariert oder in einem schlechten Zustand?

Fehlende Knöpfe und zerrissener Handriemen

Fehlen Knöpfe, ist das erst mal kein großes Problem, denn Knöpfe können leicht ersetzt werden.

Beim Bau der Instrumente wurde meist Knochenleim eingesetzt, um die Tasten auf den Clavis-Hebeln zu verankern. Wenn Tasten fehlen ist es oft ein Zeichen dafür, dass der Knochenleim spröde geworden ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass  dann weitere Tasten herausfallen können, ist recht hoch.

Fehlende Tasten sind auch ein Zeichen, dass das Instrument lange nicht gespielt wurde und evtl. in ungünstigen klimatischen Bedingungen aufbewahrt wurde, was auf weitere Defekte schließen lässt.

Verschlissene und reparierte Knöpfe

Im Gegensatz dazu lässt das obige Bild darauf schließen, dass das Instrument viel gespielt wurde. Einige Tasten sind mit Hemdknöpfen repariert, bei anderen sind diese schon wieder abgefallen. Die Gehäusedecke sieht recht angegriffen aus, was darauf schließen lässt, dass der Spieler mit langen Fingernägeln gespielt hat. Dies hat den Lack der Gehäusedecke abgetragen und kann sogar bis zum Durchscheuern des Holzes führen.

Fehlende Schrauben oder offensichtlich nachträglich ersetzte Schrauben stellen kein wirkliches Problem dar.

Fehlende Schraube an der Luftklappenbefestigung

Auch zerrissene oder fehlende Handriemen sind kein Problem. Handriemen bekommt man für recht wenig Geld bei den Herstellern zu kaufen. Man sollte sich die Riemen aber genau anschauen. Sind diese schon alt, spröde oder angerissen, so ist ein Austausch auf jeden Fall zu empfehlen. Reist ein Riemen beim Spiel, so kann einem unter Umständen das Instrument herunterfallen.

Balg

Der Balg ist der Motor eines Handzuginstrumentes. Mit ihm wird die Luft erzeugt, die die Stimmzungen zum Klingen bringen. Ein Balg besteht aus Pappe, der mit bedrucktem Papier überzogen wird. Die Ecken sind aus Ziegenleder.

Ein Balg sollte möglichst dicht sein. Jede Luftmenge, die nicht durch die Stimmzungen den Balg verlässt, bewirkt, dass der Spieler mehr Balgarbeit tätigen muss. Außerdem reicht unter Umständen die Luftmenge nicht aus, um alle Töne zu spielen, die der Spieler eigentlich in einer Balgrichtung spielen möchte.

Es gibt eine einfache Möglichkeit, eine generelle Aussage über die Dichtigkeit eines Balges zu treffen. Dazu nimmt man das geschlossene Instrument an einer Seite und lässt die andere Seite einfach herunterhängen. Dauert es mindestens eine Minute, bis sich der Balg (ohne Betätigen einer Taste) von selbst geöffnet hat, dann ist der Balg in Ordnung. Andernfalls kann der Balg, aber auch die Dichtungen zwischen Balg und Diskant/Bass oder auch eine andere Stelle undicht sein. Dies gilt es dann zu überprüfen.

Prüfung des Balges: Neuwertiger Balg

Prüfung des Balges: Undichter Balg

Insektenbefall an einer Ziegenlederecke

Ist der Balg undicht, kann man recht einfach die  Quelle der Undichtigkeit feststellen. Presst man einen auseinandergezogenen Balg zusammen, wird die Luft nach außen gedrückt. Mit befeuchteten Lippen kann man nun den Balgecken entlang der Stelle nachspüren, wo die Luft entweicht. In der Regel sind dies die Balgecken, das Leder kann spröde geworden sein oder durch Insektenbefall Löcher aufweisen.

Kleinere Leckstellen lassen sich unter Umständen noch schließen. Bei größeren Schäden ist der Austausch des Balgs oft die einzige sinnvolle Alternative. Es gibt Hersteller, die entsprechende Bälge anfertigen. Die Kosten liegen aber bei einigen hundert Euro.

Neben den Balgecken ist die Dichtung zwischen Balg und Seitenteilen oftmals für Luftverlust verantwortlich. Diese ist jedoch recht einfach zu ersetzen. Eine weitere Möglichkeit für Luftverlust stellen die einzelnen Klappen dar. Liegen diese nicht richtig an, so kann auch dort unnötige Luft entweichen, das gleiche gilt für die Luftklappe. Ein Luftverlust an den Klappen und den Luftklappen lässt sich am besten am Luftgeräuschen erkennen, die dort entstehen, wenn man den Balg zupresst.

Neben der Dichtheit des Balgs ist aber auch der allgemeine Zustand von Interesse. Fehlende oder defekte Metallschutzecken lassen sich leicht ersetzen. Auf dem folgenden Bild ist zu sehen, dass die Gewebestreifen, die die Balgkanten schützen sollen, stark abgerieben bzw. defekt sind.

Die Kalikostreifen (so der Name der Gewebestreifen) können prinzipiell gut ersetzt werden - bei einem solchen Verschleiß kann aber auch der Balg, der ja aus Pappe besteht, in Mitleidenschaft gezogen worden sein.

Das Bandoneon auf dem Bild ist sehr stark bespielt worden, was aber nicht unbedingt schlecht sein muss. Zwar gibt es viel Verschleiß, aber dieser lässt sich beheben.

Ein weiteres wichtiges Kriterium in der Beurteilung des Balges ist die Steifigkeit. Ein guter Balg ist geschmeidig und lässt sich ohne allzu viel Kraftaufwand komplett öffnen.

Bis zu der im Foto gezeigten Öffnung gehen alle Bälge etwa gleich gut. Wird es danach anstrengender den Balg weiter zu öffnen, dann wurde er vermutlich jahrelang nicht gespielt und die Spielbarkeit wird sich wahrscheinlich auch nicht wieder herstellen lassen. Auch wenn der Balg nicht geschlossen bleibt, sondern sich selbstständig etwas öffnet, deutet dies darauf hin, dass der Balg wenig benutzt wurde.

Mechanik

Die Bewertung des äußeren Zustands und des Balges ist relativ einfach durchzuführen. Dennoch sagt sie noch relativ wenig über den Wert eines Instrumentes aus. Die Mechanik und vor allem die Stimmplatten mit den Stimmzungen sind wesentlich für den Klang und die Spielbarkeit eines Bandoneons verantwortlich.

Kleiner Stift zum Festhalten des Montierbodens im Seitenteil, hier weggedreht.

Um diese zu beurteilen, muss das Instrument geöffnet werden. Dies ist in der Regel nicht schwierig. Nach Lösen der drei oder vier Schrauben können die Seitenteile vorsichtig abgenommen werden. Der Montierboden mit der Mechanik und den Stimmstöcken ist eventuell mit einige kleinen Stiften an den Seitenteilen befestigt (s. Bild), oder er liegt nur auf und kann dann ebenfalls abgenommen werden (wie im Video). Die kleinen Stifte können einfach gedreht werden, so dass der Montierboden aus dem Seitenteil entnommen werden kann.

Im folgenden Video wird dies für die Bass-Seite eines Bandoneons gezeigt. Wenn möglich sollten die Schrauben wieder an gleicher Stelle verwendet werden.

Öffnen eines Bandoneons auf der Bass-Seite

Die Mechanik eines Bandoneons ist eigentlich recht überschaubar und verständlich aufgebaut.
Der am meisten verwendete Werkstoff ist Holz. Da Holz immer ein wenig arbeitet und abhängig ist von der Luftfeuchtigkeit, ist hier ein besonderer Augenmerk auf die Einzelteile aus Holz zu richten.

Der Montierboden, die große Holzplatte, auf der die Mechanik aufgebaut ist, kann Risse erhalten. Wenn dies so ist, dann entweicht durch diese Risse Luft, die eigentlich zur Tonerzeugung benötigt wird. Diese Risse können und sollten repariert werden. Die Clavishebel, über die durch die Tasten die Klappen geöffnet werden, sind bei den meisten Bandoneons ebenfalls aus Holz. Bei manchen moderneren Instrumenten sind diese Hebel auch aus Aluminium. Gebrochene und geklebte Hebel können ebenfalls ersetzt werden.

Mechanik auf dem Montierboden, Stimmstöcke unterhalb des Montierbodens.

 

 

Ein besonderes Augenmerk sollte auch auf die Federn gelegt werden. Sind diese verrostet, deutet dies darauf hin, dass das Instrument längere Zeit einer hohen Luftfeuchtigkeit ausgesetzt war. Die Federn müssen ausgetauscht werden.

Verrostete Stimmzungen sind ebenfalls ein schlechtes Zeichen. Es bedarf eines hohen Aufwandes, diese wieder zum Klingen zu bringen.

An den Clavishebeln sind die Klappen befestigt. Diese verschließen den Durchlass für die Luft zu den Stimmstöcken. Um eine gewisse Flexibilität zu erhalten, sind die Clavishebel mit einem Stück Leder verklebt, welches mit den Klappen verklebt sind. Die Klappen sind mit Klappenbelägen beklebt, die die Öffnung im Montierboden im geschlossenen Zustand abdichten sollen.

Die Klappenbeläge sind aus Leder, neuere Beläge sind aus einer Kombination von Filz und Leder. Der Filz dient dabei der Geräuschdämmung, das Leder der Dichtung. Ist das Leder ausgehärtet, kann es zu Luftverlust bei geschlossenem Zustand kommen (evtl. sogar zu Nebentönen).

Dies gilt auch, wenn die Federspannung der Feder, die den Clavishebel im geschlossenen Zustand hält, nicht mehr ausreichend ist.

Der Clavishebel ist hier an einem Stück Leder festgeklebt, welches an der Klappe festgeklebt ist.

Die Stoffabdeckung aus Gaze ist ebenfalls oft verschlissen und durchlöchert. Sie hat aber nicht nur einen optischen Zweck. Ein Bandoneon zieht beim Auseinanderziehen Luft aus der Umgebung an und stösst sie beim Zusammendrücken wieder aus. Somit funktioniert ein Bandoneon (wie jedes Balginstrument) beim Auseinanderziehen wie ein Staubsauger und saugt neben der Luft auch Staub oder Haare an. Die Gaze verhindert dabei, dass größere Teile in das Instrument gelangen und z.B. die Stimmzungen blockieren.

Die Gaze hat nicht nur eine optische Aufgabe

Der Zusammenbau kann sich etwas schwieriger gestalten, da alle Tasten wieder in die dazugehörigen Löcher passen müssen. Auf der Diskant-Seite ist außerdem darauf zu achten, dass der Lufthebel wieder richtig sitzt und die Luftklappe bedienen kann.

Zusammenbau eines Bandoneons auf der Bass-Seite

Stimmstöcke mit Stimmplatten und Stimmzungen

Die Stimmzungen sind das tonerzeugende Element in einem Bandoneon.  Anders als z.B. bei einer Geige, ist das Gehäuse sehr viel weniger an der Klangqualität des Instrumentes beteiligt.

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal beim Bandoneon ist die Anzahl der Stimmzungen, die beim Drücken einer Taste gleichzeitig zum Schwingen gebracht werden.